Coaching: Portraits und Tools

Kann Psychoanalyse bei Einsamkeit helfen?

Ja, das ist möglich.

Aber meistens ist das nicht der Grund, warum Menschen sich in Therapie begeben bzw. Hilfe suchen. In der Regel liegen dann sehr viel schwerere Probleme vor, von Neurosen bis hin zu Psychosen, Depressionen oder Angststörungen.

 

Dabei wirft doch der Ansatz der Psychoanalyse ein interessantes Licht auf die Ursachen zumindest von Neurosen und anderen „Entwicklungsstörungen“[1]. Denn sie fragt immer wieder eben nach den Ursachen und nicht nur nach den Symptomen.

 

Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie man sich den Themen „sozialen Ängsten“ oder „Einsamkeit“ stellen kann. Einer davon kann sein, sich vor dem Treffen mit anderen Menschen Gesprächsleitfäden zurecht zu legen, eine bessere Körperhaltung an den Tag zu legen oder bewusst mehr zu lächeln, um die eigene Stimmung und die der anderen zu heben. Alle diese Ansätze haben gewisse Effekte und ihren Platz in einer „ganzheitlichen“ Verbesserung der eigenen Situation.

 

Worauf ich heute allerdings mehr eingehen möchte, ist ein möglicher Ansatz der Ursachenforschung. Und eine psychoanalytisch inspirierte Betrachtung ist so ein Ansatz.

 

Was ist aber für solch eine Betrachtung entscheidend?

Vereinfacht gesagt, besteht nach Sigmund Freud das Bewusstsein aus dem Ich, dem Über-Ich und dem Es. Alle drei zusammen bilden die Gesamtheit unseres Denkens, Erlebens und Handelns. Dabei sei das Ich die steuernde Instanz, die zwischen dem triebhaften Es und dem ansozialisierten Über-Ich vermittele. Das Über-Ich und das Ich entwickeln sich im Laufe des Lebens und werden stark in der Kindheit geprägt. Das Es dagegen steht der Sozialisierung gegenüber. Es erscheint wie eine Kraft, die gebändigt sein will, damit wir als Menschen in einer Gesellschaft funktionieren können, indem wir uns an Regeln und Normen halten, die das Verhalten zu uns und anderen Menschen organisieren.

 

Beziehungsverhalten – Traumatisierung

Die Beziehungen, die wir zu anderen Menschen pflegen, sind erstens stark von der Beziehung zu uns selbst beeinflusst und zweitens durch unsere frühkindlichen Erfahrungen geprägt – eine Prägung, die uns nicht bewusst ist, wenn wir nicht aktiv versuchen sie aufzudecken.

 

Verhalten kann sich ändern, wenn wir seine Ursache und Zweck verstehen. Emotionen verschwinden, wenn wir sie zulassen und erleben. In ihnen stecken Botschaften und manchmal Traumata. Dann vor allem, wenn wir eine Emotion wieder und wieder erleben. Wenn wir das Gefühl haben, dass uns eine bestimmte Situation, ein bestimmtes „Leiden“ immer wieder erfährt. Ein Problem, das sich immer wieder zu wiederholen scheint. Meistens steckt hier hinter ein Reaktionsmuster, das wir erlernt haben, um mit diesem speziellen Problem umzugehen. Nicht selten sind dies Mechanismen, die wir als Kinder entwickelt haben, als unsere emotionale Stabilität noch sehr viel fragiler und wir sehr viel abhängiger von den Menschen in unserer Umgebung waren. Zurecht fühlten wir uns hier hilflos, ausgeliefert oder allein.

Doch als Erwachsene haben wir ganz andere Ressourcen zur Verfügung, sind selbstständiger und emotional stabiler. Finden wir uns hier oft in Situationen wieder, die uns ohnmächtig, taub und hilflos machen – und sind dieselben Situationen für andere Erwachsene in der Regel kein Problem – dann haben wir es vielleicht mit Phänomenen wie „erlernter Hilflosigkeit“ zu tun. Das bedeutet, dass wir diese Art der Ohnmacht als Kinder nicht richtig verarbeiten konnten und ihre Schwere und Bedrohlichkeit deswegen verdrängt haben.

 

Die Linderung eines solchen Leidens liegt dann oft darin sich eben jener Verdrängung bewusst zu werden und sich den Gefühlen zu stellen, die wir als Kinder nicht bewältigen konnten. Doch das ist oft schwer. Denn in unserer Erinnerung erleben wir dieses Gefühl nach wie vor als existenziell gefährdend. Zu glauben, dass wir das heute aber aushalten können, fällt schwer. Hier hilft es eine Vertrauensperson oder Therapeuten an der eigenen Seite zu wissen. Jemand, der einem zur Seite steht, unterstützt und das in einem Raum, in dem man sich sicher fühlt. Viele Traumata lassen sich durch ein solches „bewusstes Erleben“ auflösen. Freud kurierte damit auch starke körperliche (psychosomatische) Leiden, damals oft „Hysterie“ genannt. Denn Freud und seine Nachfolger erkannten diese körperlichen Leiden als eine Folge von seelischem Leiden. Und das seelische Leiden wiederum als begründet in traumatischen und verdrängten Erfahrungen.

 

Beziehungsverhalten – Selbstannahme und Fremdannahme

Leiden dieser Art ist unnötig. Die Pein ist lediglich ein Aufruf zu Veränderung – oder Verarbeiten. Etwas will gesehen, wahrgenommen und vor allem ernst genommen werden. Wir und unsere Erfahrungen wollen Ernst genommen werden. Wir brauchen das, um uns als Menschen ganz und angenommen zu fühlen. Wenn wir das nicht erleben können oder nicht erleben konnten, dann spüren wir oft eine massive Selbstablehnung. Und es ist schwer, andere Menschen ganz anzunehmen, zu verstehen und mit ihnen eine enge Beziehung zu haben, wenn wir nicht einmal gelernt haben, uns selbst ganz als Mensch anzunehmen.

 

Beziehungsverhalten – gesundes Selbstbewusstsein

Eine Analyse unserer Selbst, unseres Innenlebens und unserer „Beziehungs-Geschichte“ kann uns so helfen, besser zu erkennen, wer wir sind und warum wir so sind. Wir können dann besser unterscheiden, welche unserer Reaktionen in der Gegenwart und welche in der Vergangenheit begründet liegen. Und wir müssen die Wut, Enttäuschung und Verletzung, die wir früher erfahren haben, nicht im Jetzt an unserem Gegenüber ausleben. Die Beziehungen, die wir von dieser Warte eines „gesunden Selbstbewusstseins“ aus knüpfen, sind um ein Vielfaches authentischer, reichen tiefer und sind erfüllender.

Denn was für ein Wunder ist es, wenn wir uns wirklich – sei es auch nur für einen Moment – von Mensch zu Mensch begegnen? Mit allen Windungen und Wendungen, die wir in uns tragen, mit der größten Freude, zu der wir fähig sind, wie auch aufrichtiger Trauer? Wenn wir einander so begegnen können, dann ist es schwer einsam zu sein.

 

 

[1] Von „Störungen“ möchte ich hier wirklich nur in Anführungszeichen schreiben. Denn ich bin nicht der Meinung, dass es hilfreich ist, von einer „richtigen“ und „falschen“ Entwicklung zu sprechen. Ich möchte aber dennoch an die durchaus hilfreichen Ansätze anknüpfen, die versuchen solche „Störungen“ der Entwicklung zu „behandeln“ und dadurch tatsächlich in der Lage sind, eine Verbesserung herbeizuführen.

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