Man hört und liest es in diesen Tagen auf fast jedem Youtube-Kanal und Blog, der sich mit Persönlichkeitsentwicklung beschäftigt: der moderne Mensch muss meditieren. Um Stress abzubauen, um die eigene Konzentration zu verbessern, um vom beta-Modus in den kreativen alpha-Modus zu wechseln, um ruhiger und gesünder zu werden. Mönche wurden wissenschaftlichen Tests und Messungen unterzogen, um zu zeigen, wie sich die Gehirnstrukturen durch Meditation verändern und schon bei erst seit kurzer Zeit Meditierenden stellten sich lang andauernde positive Effekte ein. Kurzum: es gibt keinen vernünftigen Grund nicht zu meditieren.
Konzentration:
Und auch ich war neugierig auf all diese positiven Effekte und Versprechungen. Am wichtigsten waren mir dabei die Hoffnung mich entspannen zu können (um chronischen Verspannungen entgegen zu wirken) sowie das Versprechen einer verbesserten Konzentrationsfähigkeit. Beides konnte ich mehr als gut gebrauchen. Also fing ich an mich jeden Morgen – denn Meditation solle sich gut als Teil einer täglichen Morgenroutine eignen, um bestmöglich in den Tag zu starten – also ich fing an jeden Morgen meinen Handy-Wecker auf 5 Minuten zu stellen und einfach so lange ruhig dazusitzen. Dasitzen in einer wachen Haltung, mit geradem Rücken (eine Herausforderung für sich!), mich nur auf meinen Atem konzentrierend und alle übrigen Gedanken als Ablenkungen zu behandeln und nicht weiter zu verfolgen. Einfach dasitzen. Atmen. 5 Minuten. Mit geradem Rücken. Mit geradem Rücken. Mit geradem Rücken!
Das erste Problem:
Es fiel mir sehr schwer den Rücken aufrecht zu halten. Er wurde mir schwer, ich musste mich immer wieder aufrichten. Es war anstrengend. Meine Rückenmuskulatur war anscheinend zu schwach mich lange in dieser Position zu halten. Ich sollte meinen Rücken mehr trainieren. Das würde auch meinen Rückenschmerzen gut tun. Ein Hauch von schlechtem Gewissen… oh, oh! Da bin ich wohl mit dem Gedanken abgedriftet!
Das zweite Problem:
Mit den Gedanken einfach beim Atem bleiben. Zu ihm ruhig und gelassen zurückkehren, wenn ich abschweife. Einfach weitermachen. 5 Minuten lang. Aber ich habe wirklich ein schlechtes Gewissen wegen meinem Rücken! Das ist doch wichtig! Nicht, dass ich es wieder vergesse! – Naja, wahrscheinlich wird mich spätestens die nächste Meditation morgen früh wieder daran erinnern.
Okay, okay. Einfach beim Atem bleiben. Einatmen. Ausatmen. Ich fühle mich sehr verkrampft. Nicht nur im Rücken, oder im Nacken, sondern im Atmen selbst. Ich sollte ruhiger atmen. Ruhig und entspannt atmen. Aber ich sollte doch meinen Atem nicht manipulieren! Okay, also einfach weiter „normal“ atmen. Unentspannt. Verkrampft. Oh Gott. Ich habe das Gefühl die Spannung wird größer und größer, als würde ich ein Vergrößerungsglas auf die Verkrampfungen und Anspannungen richten. Ich nehme sie jetzt fast im ganzen Körper wahr. Und mein Rücken ist wieder krumm! Es ist so anstrengend.
Zum Schluss:
Ich öffne die Augen. Die 5 Minuten sind noch nicht um, aber ich fühle mich schon ganz aufgewühlt und definitiv unentspannter als zuvor. Doch ich denke mir, dass ich jetzt einfach gefühlt habe, was für Spannungen sich alles in meinem Körper befinden. Naja, wahrscheinlich war das erst ein kleiner Vorgeschmack von dem, was es da noch alles zu entdecken gibt. Aber der hat mir fürs Erste schon gereicht. Die 5 Minuten sind noch nicht um. Ich schließe die Augen wieder. Konzentriere mich auf den Atem. Versuche etwas Ruhe in meine Beobachtungen zu bringen. Doch es gelingt kaum. Wieder beugt sich der Rücken. Es ist anstrengend, es ist anstrengend. Mein Wecker klingelt. Die 5 Minuten sind um.
Zwischenfazit
So oder so ähnlich ging es viele Tage. Mein Zwischenfazit dazu lautet, dass es mir leichter fällt mich in der Bewegung – sei es Tanz, Gehen oder leichter Sport – zu entspannen. Der Fokus auf dem Atem legt bei mir den Fokus auf die Verspannungen. Und durch diese Art des Fokus scheinen sie sich eher noch zu potenzieren als weniger zu werden.
Verkrampfte Meditation – entspannter Sport
In letzter Zeit habe ich allerdings unerwartet Entspannung gefunden. Nicht jedoch in der Meditation, sondern im Nachklang von körperlicher Anspannung, von Sport. Es ist ein Zustand „angenehmer Erschöpfung“. Ich möchte versuchen zu beschreiben wie es sich anfühlt: als wäre eine „Schicht“ in mir „aufgebrochen“. Eine körperliche Schicht, durch die ich durchmusste, als ich im Training trotz der Anstrengung weitermachen wollte. Noch ein bisschen durchhalten. Ein bisschen geht noch. Noch etwas. Den Punkt, an dem ich beschließe „ich kann nicht mehr“ noch ein wenig hinauszuschieben. Diese „Erweiterung“, diese „neue Schicht“ spüre ich jetzt. Es ist angenehm und befriedigend. Beruhigend. Müde, aber schön. Zuerst spürte ich es nur nach dem Training. Doch gerade in der letzten Woche ist es mehr und mehr zu einem Zustand geworden, zu dem ich immer wieder neu Zugang finde. Als wäre diese (neue? Tiefere?) „Schicht“ mir potentiell jederzeit zugänglich.
Wenn das doch nur mit meiner Meditation klappen würde!
2 Gedanken zu „Persönliche Erfahrung – die Herausforderung täglicher Meditation“
Probiers mal mit einer geführten Meditation und 20min, 5 sind definitiv zu kurz.
liebe Michaela, schade, dass es nicht so eine positive Erfahrung für dich war zu meditieren. Es kann auch hilfreich sein Yogaübungen vor der Meditation zu machen, allerdings nicht zum Auspowern, mehr um Verspannungen zu lösen und zur Ruhe zu kommen, dann fällt es auch leichter aufrecht zu sitzen (das ist übrigens auch Übungssache, mit der Zeit bauen sich die Muskeln im Rücken auf – vielleicht einfach mal im Alltag immer mal wieder ein paar Minuten ganz bewusst aufrecht sitzen).
Atemübungen können auch hilfreich sein, den Geist zur Ruhe zu bringen. Gib noch nicht auf, Meditation ist wirklich ein Geschenk, dass du dir selbst machen kannst 😀