Wissenschaft und Life Coaching

BDNF – Wunderdünger für das Gehirn?

Die aktuelle Studienlage weist darauf hin, dass Sport das Potential hat akut und chronischkognitive Fähigkeiten zu verbessern […] und u.a. exekutive Funktionen […] Gedächtnisleistungen und Lernprozesse […] zu optimieren. Ferner lässt die Datenlage darauf schließen, dass regelmäßige körperliche Aktivität einen neuroprotektiven Effekt hat und somit vor der Entstehung und dem Progress neurodegenerativer Erkrankungen schützen kann. […]

[Es kommt dabei zu einer] sportinduzierten Expression von Wachstumsfaktoren (z.B. des brain-derived neurotrophic factors kurz BDNF) und der Generierung eines chronischen antientzündlichen Milieus, die ihrerseits zu einer gesteigerten Neurogenese und Neuroprotektion führen können. (S. 42/43)

Oder kurz: Sport ist gut für das Gehirn. Und BDNF ist ein Hauptfaktor dafür.

Diese Ansicht hat sich in den letzten Jahren stark im Internet verbreitet. Ein gutes Beispiel hierfür ist das folgende Video, das bereits einige Zusammenhänge zwischen BDNF, Nervenzellen und dem Lernen veranschaulicht.

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Die Studie, auf die der Macher des Videos sich hier beruft, stammt allerdings aus dem Jahre 2007.

In dem Artikel „Einfluss von Sport auf das zentrale Nervensystem – Molekulare und zelluläre Wirkmechanismen“ aus der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin, 66. Jahrgang 2/2015 fassen die Autoren einige Forschungsergebnisse zum Zusammenhang von Sport und Gehirnleistungen zusammen. Hierbei wurden drei neuronale Wachstumsfaktoren (BDNF, VEGF und IGF-1), Ausschüttungen von Laktat und Dopamin sowie der „Entzündungsgrad“ oder das „inflammatorische Millieu“ betrachtet.

Wachstumsfaktoren

Für alle drei Faktoren [BDNF, VEGF und IGF-1] ist bekannt, dass sie die Neurogenese stimulieren können, die zumindest partiell zu einer Volumenzunahme der Hirnmasse, z.B. im Hippocampus beitragen kann und direkt in Verbindung mit kognitiven Fähigkeiten steht. (S. 43)

Die meiste Aufmerksamkeit schenkt der Artikel dabei dem in den letzten Jahren bekannt gewordenen Protein BDNF. BDNF ist ein wichtiges Protein für verschiedene Bereiche des Gehirns (z.B. die Großhirnrinde, den Hyppocampus und das Kleinhirn) und wird mit dem Aufbau und der Regeneration von Nervenzellen in Zusammenhang gebracht. Dies wirke sich positiv, u.a. auf das Langzeitgedächtnis aus.

Doch obwohl ein Einfluss von akutem Ausdauertraining auf die Produktion von BDNF nachgewiesen werden konnte, war dies weder bei akutem Krafttraining noch bei regelmäßigem Training (sowohl Ausdauer als auch Kraft) der Fall. Im Gegenteil wurde eine „ausgeprägte Ausdauerfitness“ (S. 45) sogar mit einem niedrigeren BDNF Niveau in Verbindung gebracht.

Vor diesem Hintergrund ist es denkbar, dass BDNF beschriebene positive Effekte regelmäßiger körperlicher Aktivität auf Struktur und Funktion des ZNS […] durch wiederholte vorübergehende Steigerungen der BDNF Konzentration infolge der einzelnen akuten Trainingseinheiten verbunden mit einer Steigerung der BDNF Verwertungskapazitäten vermittelt. Ein solcher Wirkmechanismus ist bspw. auch aus dem Bereich des IL-6 vermittelten anti-inflammatorischen Effekts regelmäßiger körperlicher Aktivität bekannt. (S. 45)

Auf der anderen Seite ist BDNF aber nicht der einzige Wachstumsfaktor, der durch körperliche Belastung angereichert wird. Der zugrundeliegende Artikel betont darüber hinaus den positiven Effekt von VEGF (vascular endothelial growth factor) und IGF-1 (insuline-like growth factor 1). Beide werden dabei mit der Regeneration von Nervenzellen in Verbindung gebracht und vor allem VEGF mit einer Verbesserung des Gedächtnisses.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Sport in Abhängigkeit von Belastungsart, Dauer und Intensität die Konzentration neuronal wirksamer Wachstumsfaktoren beeinflusst. Die Literatur zeigt bislang, dass sich die damit einhergehende verstärkte Neurogenese v.a. positiv auf die Hippocampusformation auswirkt. Da diese fundamental zu Gedächtnisleistungen beiträgt, scheint es logisch, dass genau diese kognitive Domäne nach längeren Interventionen Verbesserungen aufweist. (S. 45)

Dopamin und Laktat

Dopamin ist ein äußerst wichtiger Neurotransmitter, der für die Weiterleitung von Nervensignalen sorgt und so wichtig für das Funktionieren der Motorik als auch unserer Emotionalität ist.

Die Ausschüttung von Dopamin […] hat einen fundamentalen Einfluss auf die Funktionalität präfrontaler Kortexfunktionen (Kognition, Emotionen, etc.) und motorische Eigenschaften, was besonders eindrucksvoll durch einen Verlust und Ausfall dieser Strukturen, z. B. bei der Parkinsonkrankheit deutlich wird. (S. 45)

Sowohl Studien mit Parkinsonpatienten als auch Tieren zeigten Verbesserungen in Kognition und Motorik. Durch körperliche Belastung konnte vor allem die Synthetisierung eines für die Bildung von Dopamin wichtigen Enzyms gezeigt werden.

Laktat wird von den Nervenzellen im Gehirn zur Energiegewinnung genutzt. Es sei schon lange „als zentrales Stoffwechselprodukt bei verstärkter körperlicher Aktivität“ (S. 46) bekannt.

Ein direkter Zusammenhang zwischen Laktatkonzentration und der Steigerung der Hirnleistungsfähigkeit konnte z.B. bei männlichen Sprintern gezeigt werden, bei denen eine veränderte Laktatkonzentration im Blut und Veränderungen der Aufmerksamkeit korrelierten. Die Laktatkonzentrationsänderungen wurden dabei entweder durch Laufen oder durch Infusionen erzeugt. (S. 46)

Entzündungshemmung

Chronische Entzündungen gelten schon lange als fördernde Faktoren bei der Entstehung von vielen neuronalen Erkrankungen. Und auch akute kognitive Leistungsminderungen konnten in diesem Zusammenhang bereits festgestellt werden.

Obwohl Sport kurzfristig einen Entzündungsreiz auslöse, entstehe mittel- und langfristig doch ein „anti-entzündliches Millieu“. Dies wird einerseits durch die Ausschüttung anti-entzündlicher Stoffe und andererseits die Reduktion eines entzündlich wirkenden Proteins erklärt. Letzterer Effekt stellt sich vor allem bei regelmäßigem Training ein.

Sport ist gut für’s Gehirn – aus vielen Gründen

Der heute diskutierte Artikel zeigt nur einen kleinen Einblick in das Thema „Sport und Gehirn“. Er macht aber bereits deutlich, dass sich die positiven Effekte, die Bewegung auf das Gehirn hat, nicht allein mit BDNF beschreiben lassen. Auch andere Hormone, Neurotransmitter und Proteine sind hieran beteiligt.  Und vieles ist noch nicht geklärt oder verstanden. Gerade komplexe Wechselwirkung von Umständen und Stoffen machen eindeutige Erkenntnisse hier nicht leicht. Der Trend ist jedoch deutlich: Sport fördert die Regeneration von Nervenzellen und damit die Gesundheit des Gehirns. Am besten erforscht scheint dabei die Gedächtnisleistung sowie ein positiver Effekt auf neuronale Erkrankungen.

Abschließend lässt sich feststellen, dass sich sowohl akute als auch chronische Belastungsreize positiv auf das zentrale Nervensystem auswirken. Neben einem neuroprotektiven Effekt, weist die aktuelle Studienlage auch auf einen positiven Einfluss auf die Hirnleistung hin. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind aufgrund der schwierigen Zugänglichkeit des ZNS in Humanstudien nur Ansatzweise aufgeklärt und die Übertragung von Ergebnissen aus tierexperimentellen Studien ist begrenzt und stark abhängig von den untersuchten Strukturen. (S. 46)

Quelle: Zimmer P., Oberste M., Bloch W.: „Einfluss von Sport auf das zentrale Nervensystem – Molekulare und zelluläre Wirkmechanismen“; In: Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 66. Jahrgang 2/2015; http://www.zeitschrift-sportmedizin.de/fileadmin/content/archiv2015/Heft_2/DZSM_2015-02_WEB_Bloch_zellulaere_Wirkmechanismen.pdf – zuletzt aufgerufen am 16.02.2018.

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